Make or buy 2.0 – CLS im Eigenbetrieb oder als BPO?
Der Rollout intelligenter Messsysteme hat in diesem Jahr merklich Fahrt aufgenommen. So bringen Dienstleister wie der Gateway-Administrator GWAdriga im Auftrag ihrer Kunden seit Anfang des Jahres bereits tausende Smart-Meter-Gateways online und diese Entwicklung beschleunigt sich weiter. Dabei fassen die Unternehmen längst nicht mehr nur den Mengenhochlauf der Geräte ins Auge, sondern planen auch, immer komplexere Messkonstrukte auszurollen. So wird neben Prosumer-Messungen, bei denen zwischen Bezug, Einspeisung und Eigenverbrauch differenziert wird, darauf fokussiert, das intelligente Messsystem selbst um weitere Komponenten über die CLS (Controllable-Local-System)-Schnittstelle des Smart-Meter-Gateways zu erweitern.
Fachartikel für die Zeitschrift stadt+werk Ausgabe 11-12/2021 – Autor Gert Schneider,Senior Manager Projekte GWAdriga GmbH & Co. KG.
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Die Überlegungen sind ebenso vielschichtig wie die Herausforderungen. Gilt es doch, nicht nur die erfolgversprechendsten Anwendungsfälle zu identifizieren, sondern auch technologisch und organisatorisch die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Anders als beim klassischen intelligenten Messsystem – bestehend aus Smart-Meter-Gateway und moderner Messeinrichtung – ist der Grad an Normierung im Themenfeld CLS geringer, die Freiheitsgrade in der Entscheidung also höher. Die Roadmap des BMWI im intelligenten Messwesen benennt zwar die Anwendungsfälle und legt sie auf eine Zeitskala, diese ist jedoch nicht bindend. Auch werden wenige Vorgaben gemacht, wie jeder einzelne Anwendungsfall umzusetzen ist. Als roter Faden zieht sich die Sicherheitsarchitektur durch das Regelwerk, welches etwa festlegt, dass die Nutzung der CLS-Schnittstelle des Smart-Meter-Gateways dem aktiven externen Marktteilnehmer (aEMT) vorbehalten ist. Marktakteure wie Messstellenbetreiber, Verteilnetzbetreiber oder Energiedienstleister müssen sich also damit befassen, diese Funktionsrolle auszuprägen, wollen sie Mehrwerte über CLS-Geräte heben. Dies ist gleichermaßen unabhängig davon, ob sie steuernd – wie im Fall des §14a EnWG – auf Anlagen im Netz einwirken wollen oder ob sie Messwerte anderer Sparten über einen Datenkonzentrator sammeln wollen. Die Technologiefrage, ob also Ladestation, EEG-Anlage oder eben Datenkonzentrator über eine Steuerbox mit eigenem Funktionsumfang über einen CLS-Konnektor an das Smart-Meter-Gateway angebunden wird, hat darauf keinen Einfluss.
In Analogie zur Ausprägung des Smart-Meter-Gateway-Administrators ist also eine Entscheidung zu treffen, wie der aEMT bei interessierten Akteuren ausgeprägt wird. Beim Smart-Meter-Gateway-Administrator waren in erster Linie Erwägungen der hohen, auch physischen, Sicherheitsanforderungen an diese Rolle entscheidend. Diese Anforderungen sind beim aEMT deutlich geringer, werden also nicht zum wesentlichen Showstopper auf dem Weg, die Rolle auszufüllen. Entscheidend – wie seinerzeit bei der Entscheidung Make-or-Buy beim Smart-Meter-Gateway-Administrator – sind vielmehr die Geschäftsprozesse sowie die personelle Aufstellung des Unternehmens.
Betrachtet man das Prozess-Set des aEMT, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass sich im Funktionskern die Administration der Kommunikationskanäle zwischen dem aEMT-System und dem CLS-Gerät befindet. Diese gilt es bedarfsgerecht aufzubauen, zu monitoren und zu nutzen, um Daten und Datenpakete ins Feld zu transportieren. In der IT-Architektur bedient sich der aEMT dafür eines Systems, bei dem diese CLS-Kanäle terminieren. Die eigentlichen fachlichen Geschäftsprozesse des aEMT, wie etwa die Steuerung einer EEG-Anlage, werden aber gar nicht in diesem System initiiert, sondern (im Beispiel) in einem vorgelagerten Netzleitsystem oder einem Virtuellen Kraftwerk. Das System des aEMT nimmt lediglich den Steuerbefehl entgegen, initiiert den Kanalaufbau zu den entsprechenden CLS-Geräten und verteilt dann die ggf. disaggregierten Steuerbefehle. Das System nimmt also die Funktion einer Middleware ein.Gerade beim Kanalaufbau und -handling ist der aEMT nun maßgeblich auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Smart-Meter-Gateway-Administrator angewiesen. Dieser spielt nämlich initial die -Profile auf die Smart-Meter-Gateways ein, die eine Verbindung zwischen aEMT-System und CLS-Gerät ermöglichen. Ist ein Kanal nicht verfügbar oder baut sich nicht auf, wird in aller Regel der Smart-Meter-Gateway-Administrator zu Rate gezogen werden müssen, der zum Beispiel überprüft, ob das Smart-Meter-Gateway aktuell erreichbar ist. Daraus ergeben sich verschiedene Implikationen: Anders als beim passiven EMT, der kaum Kenntnisse der Prozesse des Smart-Meter-Gateway-Administrators braucht, muss der aEMT ein tiefes Verständnis der Prozesse des Smart-Meter-Gateway-Administrators haben, um seine Mittlerrolle effizient wahrnehmen zu können. Er muss einschätzen können, welches CLS-Gerät über welches HAN-Kommunikation-Szenario erreicht werden kann. Bleiben wir hier bei dem Beispiel eines Verteilnetzbetreibers, der Schalthandlungen durchführen will: Bei ihm gehört dieses Wissen bislang nicht zum Kern-Know-how. Auch ist fraglich, ob er personell und technologisch hinreichend aufgestellt ist, dies für eine Vielzahl von Kleinstanlagen zu leisten, denn jede Anlage wird über einen eigenen Kanal adressiert. Das führt unmittelbar zur Feststellung, dass auch die Wirtschaftlichkeit der Funktion des aEMT stark massenabhängig ist. Das erkennt man schnell, wenn man sich in die Rolle eines bundesweit agierenden Energiedienstleisters versetzt: Er muss im Zweifel in der Lage sein, mit jedem Smart-Meter-Gateway-Administrator umgehen zu können und das bedeutet eben auch eine Integration mit dessen System. Das ist wirtschaftlich kaum zu stemmen. Ein aEMT-Dienstleister hingegen, der dies nicht nur für einen Marktakteur tut, kann hier deutlich wirtschaftlicher agieren.
In Summe gibt es also gute Gründe, den BPO-Mehrwert-Ansatz aus der Smart-Meter-Gateway-Management auch auf das CLS-Management des aEMT zu übertragen. Es bietet sich dabei an, das technische CLS-Management – also Umgang und Monitoring des CLS-Kanals – herauszulösen und an einen Dienstleister zu übertragen, um als EVU selbst lediglich die inhaltliche Rolle des aEMT auszuprägen. Die Zertifizierungspflicht liegt damit beim Dienstleiter, der dieses Zertifikat in das ISMS des Auftraggebers einbringt. In seiner Systemhoheit terminieren ja die CLS-Kanäle. Der Anbieter für das CLS-Management kann dabei den aEMT-Anwendungsfall fast vollständig abstrahieren, da seine Aufgaben davon unabhängig sind. Stellvertretend für den beauftragenden aEMT übernimmt er die Kommunikation mit den Smart-Meter-Gateway-Administratoren, so dass die entsprechende Schnittstellenkomplexität reduziert wird.
Diesen Ansatz verfolgend hat GWAdriga bereits vor Jahren mit ihren Kunden das beschriebene Konzept verprobt, nicht nur die Smart-Meter-Gateway-Management im Business-Process-Outsourcing zu erbringen, sondern auch das CLS-Management für sie durchzuführen. Auch (noch) ohne die Kommunikation mit anderen Smart-Meter-Gateway-Administratoren hat sich gezeigt, dass die Prozessexzellenz und -tiefe aus der Smart-Meter-Gateway-Management in die Prozesse des CLS Management ausstrahlt. Die aEMT-Kunden profitierten davon doppelt: eine effiziente CLS-Betriebsdienstleistung erlaubt es ihnen, sich auf ihre spezifischen Herausforderungen in der Organisation und Orchestrierung der Fachprozesse zu konzentrieren. War der erste umgesetzte Anwendungsfall damals die Steuerung von Anlage über eine Steuerbox, hat GWAdriga zwischenzeitlich die Tragfähigkeit des Konzeptes auch in anderen Anwendungsfällen unter Beweis gestellt.
Es wird also deutlich, dass die Entscheidungsfindung im Thema CLS nicht nur eine von Priorisierung von Anwendungsfällen oder zur Anwendung kommenden Technologien ist, sondern auch das Betriebsmodell zu beleuchten ist. Die Heterogenität von Messstellenbetreibern, Verteilnetzbetreibern oder Energiedienstleistern impliziert dabei unterschiedlichste Lösungsansätze.