CLS ON: Fachartikel in der netzpraxis Ausgabe 1-2/2024

Mit CLS ON haben EWE NETZ, RheinEnergie, Westfalen Weser Netz und GWAdriga ein Umsetzungs- und Betriebsmodell für das Schalten und Steuern in der Niederspannung entwickelt, das eine Brücke zwischen Netz- und Messstellenbetrieb schlägt. Nachdem BTC im Sommer 2023 den Zuschlag für die Umsetzung der zugehörigen IT-Architektur erhalten hat und der Nürnberger Energieversorger N-ERGIE als weiterer Projektpartner eingestiegen ist, nimmt die Umsetzung von CLS ON Fahrt auf.

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Autor: Dr. Michał Sobótka, GWAdriga

Bislang ist das Schalten und Steuern weitgehend auf die Netzebene der Mittelspannung beschränkt, in der Verteilnetzbetreiber (VNB) große Anlagen wie Windparks mit eigener Fernwirk- und Übertragungstechnik, also ohne Beteiligung eines Messstellenbetreibers, schalten. In der Niederspannung, also bei Haushaltskunden und kleineren Gewerbebetrieben, schalten Verteilnetzbetreiber (VNB) bisher nur in geringem Umfang dort installierte Nachtspeicherheizungen oder vergleichbare Kleinanlagen.

Die stark wachsende Zahl flexibler Erzeuger und Verbraucher in der Niederspannung – insbesondere Ladesäulen, Wärmepumpen und PV-Anlagen – verändert die Strukturen und damit die Anforderungen an die Verteilnetzbetreiber grundlegend: Bei insgesamt 51 Millionen Zählpunkten in Deutschland werden bis 2032 rund 17 Millionen EEG- und §14a-Anlagen erwartet, so die Schätzung von GWAdriga auf Basis der BSI/BMWK-Prognose aus dem Jahr 2021. Um die Niederspannungsnetze vor Überlastung zu schützen und einen entsprechenden Netzausbau zu vermeiden, müssen Flexibilitäten in der Niederspannung zukünftig gezielt gesteuert werden.  Erfreulicherweise steht mit dem intelligenten Messsystem (iMSys) und der daran anschließbaren Steuereinheit eine technische Lösung zur Verfügung, die solche Schalthandlungen über die vom BSI freigegebene „sichere Datenkommunikation“ ermöglicht. Die entsprechende IT-technische Umsetzung ist der Fokus von CLS ON als Gemeinschaftsprojekt von EWE, WWN, Rheinenergie, N-ERGIE und GWAdriga.

Die CLS ON-Architektur besteht aus zwei Komponenten: CLS System und CLS Bridge. Das CLS System nimmt die Schaltanforderungen auf und leitet sie an die einzelnen Steuereinheiten weiter. Getriggert wird es entweder über die Marktkommunikation, also den Universalbestellprozess, oder über die CLS Bridge als arbeitsvorbereitendes System. Parallel kann das System Messwerte über den Netzzustand und an die Analytics-Komponente der CLS Bridge zurückleiten. Darüber hinaus sind im CLS System auch grundlegende administrative Funktionen wie die Parametrierung der Steuerboxen oder die aEMT-Kanalverwaltung angesiedelt. Selbstverständlich muss das CLS System an die stammdatenführenden Systeme des MSB angebunden sein.

Die CLS Bridge füllt die Lücke für Netzbetreiber, die noch keine Leitstelle für die Niederspannung haben bzw. keine selbst ausprägen wollen. Sie bietet dem Verteilnetzbetreiber eine hochaggregierte Sicht auf alle relevanten Daten und den aktuellen Netzzustand. Notwendige Schaltanforderungen für einzelne Niederspannungsnetze oder Gruppen von Flexibilitäten werden dann in der Bridge erzeugt und zur Ausführung an das CLS-System weitergeleitet. Dazu ist die CLS Bridge mit datenliefernden Systemen beim VNB, wie z.B. GIS-Systemen mit der Netztopologie, verbunden. Die CLS Bridge bietet zudem die Möglichkeit der Prozessabwicklung durch den Netzbetreiber, der die Lösung dann als Software-as-a-Service nutzt. Zwischen den Systemkomponenten sorgen standardisierte und „schlanke“ Schnittstellen für einen reibungslosen Datenfluss und das eigentliche CLS-Management kann komplett an einen Prozessdienstleister ausgelagert werden. Wer also die regulatorischen Anforderungen einfach umsetzen will, hat in der Gesamtlösung alles, was er braucht. Wer mit der Zeit ein eigenes Niederspannungsleitsystem aufbaut, kann perspektivisch nur das CLS System nutzen.

Besonderes Augenmerk wird bei der Umsetzung auf die IT-Sicherheit gelegt. Denn traditionell sind die Netzleitstellen der Netzbetreiber strikt von externen Netzen getrennt, um Zugriffe auf ein Herzstück der kritischen Infrastrukturen zu verhindern und damit den Anforderungen von KRITIS gerecht zu werden. In der im Rahmen von CLS ON implementierten Lösung wird daher ein eigener Security-Proxy sowie eine Instanzenstruktur die Integrität der Leitstellen sicherstellen – auch wenn ein Dienstleister wie GWAdriga zukünftig hunderttausende von Steuereinheiten oder auch Marktanwendungsfälle über die CLS-Lösung abwickelt. Die KRITIS-Netze der Netzbetreiber und die Netze eines Prozessdienstleisters wie GWAdriga (mit eigenen Sicherheitsanforderungen) sind somit klar voneinander getrennt. Zudem müssen die hohen KRITIS-Anforderungen nicht von Anfang an erfüllt werden, wenn erst wenige Steuergeräte im Einsatz sind. Vielmehr ist die IT-Architektur so flexibel, dass zunächst mit einem KRITIS-nahen Betrieb begonnen und erst später auf einen vollständig KRITIS-konformen Betrieb umgestellt werden kann.

Ende 2023 werden die ersten Steuerboxen der WIRK-PKI im „Manufakturbetrieb“ mit teilautomatisierten Prozessen in Betrieb gehen. Dabei wurden sowohl die Automatisierung zahlreicher Prozesse adressiert als auch erste Anwendungsfälle wie die Steuerung von Einzelanlagen oder Home Energy Management Systems (HEMS) getestet. Dynamische Tarife und weitere marktrelevante Anwendungsfälle sind Gegenstand der nächsten Ausbaustufe. Ziel ist es ein standardisiertes Betriebsmodell zu etablieren, mit dem wir bis Ende 2024 alle Massenprozesse automatisiert abwickeln können.Neben den GWAdriga-Gesellschaftern ist seit Herbst 2023 auch die Nürnberger N-ERGIE Teil des Projektteams. Aber auch weitere Unternehmen sind eingeladen, sich am Pilotbetrieb zu beteiligen, um ein möglichst standardisiertes Betriebsmodell zu entwickeln. Die Vision ist, bis spätestens 2030 eine effiziente Basisinfrastruktur für digitale Verteilnetze inklusive der vollständigen technischen Vernetzung der verschiedenen marktrelevanten Anwendungen und Endkunden zu etablieren.

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