Als im Zuge der Liberalisierung des Energiemarkts die Rolle des Messtellenbetreibers (MSB) geschaffen wurde, schien diese Rolle künstlich. Was ist die Existenzberechtigung für ein Unternehmen, das lediglich Ferraris-Zähler „betreut“, die teils noch in den 1960er verbaut wurden? Wie soll sich ein solches Unternehmen in einem Marktgefüge behaupten, in dem Verteilnetzbetreiber und Lieferant prominente Rollen – technologisch und in der Kundenbeziehung – besetzen? Und zuletzt: ist es überhaupt eine eigenständige Rolle, wenn doch der Verteilnetzbetreiber den grundzuständigen Messstellenbetrieb ausprägen und leisten muss, wenn der Endkunde sich nicht aktiv für einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber entscheidet?
Dieser Fachartikel ist in der ZfK 02/25 erschienen – Autor: Dr. Michal Sobótka
So berechtigt diese Fragen seinerzeit gewesen sind, zeigt sich heute, dass die Aufgabenfülle und Positionierung des Messstellenbetreibers insbesondere im Kontext der Digitalisierung der Energiewende die damalige Entscheidung rechtfertigen. Kein Thema eignet sich besser, das zu illustrieren, als die Steuerung flexibel steuerbarer Erzeuger und Verbraucher (sogenannte Controllable Local Systems) über intelligente Messsysteme.
iMsys sind Schlüsselkomponente
Bekanntermaßen hat sich die Energieerzeugung aber auch der -verbrauch in Deutschland grundlegend gewandelt. Dieser Wandel stellt das Energiesystem vor große Herausforderungen Intelligente Messysteme sind hier eine Schlüsselkomponente, die nicht nur wie Ferraris-Zähler klassische Zählerstände zur Verbrauchsabrechnungen erfassen. Sie messen auch Erzeugungs- und Netzzustandsdaten, die Direktvermarktern und Netzbetreibern in hoher Auflösung den Status ihrer Betriebsmittel abzuschätzen helfen. Und letztlich erlauben sie über eine separate Komponente – die Steuerbox – auf hochsichere Art steuernd in das Niederspannungsnetz einzugreifen und dieses zu stabilisieren.
Das Dienstleistungsportfolio des Messstellenbetreibers hat sich damit enorm diversifiziert: zukünftig muss ernicht mehr täglich oder monatlich Zählerstände für Abrechnung oder Bilanzierung bereitstellen, , sondern intelligenten Messsysteme auch hochsicher betreiben und jederzeit flexibel parametrsieren können – und so diverse Anwendungsfälle wie eben Netzstabilisierung oder Überwachung der EEG-Anlagen ermöglichen können. Der MSB hat im Zuge dessen mit Direktvermarktern neue Kunden, die Leistungen bei ihm bestellen. Aber auch das Dienstleistungsgeflecht zum Verteilnetzbetreiber ändert sich.
Der Verteilnetzbetreiber bestellt Funktionen und Leistungen beim Messstellenbetreiber. Er sagt also was er an welchem intelligenten Messsystem umgesetzt haben möchte. Das Wie obliegt dabei dem Messtellenbetreiber. Welches intelligente Messsystem bestehend aus Smart Meter Gateway, Messeinrichtung und Steuerungsgerät er einsetzt, ist genau wie die eingesetzte WAN-Kommunikation seine Entscheidung. Wie er den Einbauprozess mit Monteuren und Endkunden ausgestaltet, seine Aufgabe. Welchen Teil der Leistungen von Montage und Betrieb er selbst übernimmt und was er an Dienstleister auslagert, beeinflusst seine Wirtschaftlichkeit.
Die Emanzipation des MSB
Und genau hier gilt es sich auch gegenüber dem eigenen Verteilnetzbetreiber zu emanzipieren, um eben die Wirtschaftlichkeit nicht aus dem Auge zu verlieren. Der Messtellenbetreiber befindet sich ja in einem hochgradig regulierten „Markt“, in dem er vielfach Preisobergrenzen einzuhalten hat. Dieses Konstrukt ist für einen Verteilnetzbetreiber fremd, für den die Versorgungssicherheit an erster Stelle steht und für den es über die Anreizregulierung ein grundlegend anderes Vergütungsmodell gibt. Die Auflösung dieses Zielkonflikts verlangt vom Messtellenbetreiber sich seiner Pflichten innerhalb der Preisobergrenzen bewusst zu sein. Auf Leistungen darüber hinaus muss er hinweisen und dafür Vergütungsmodelle entwickeln und selbstbewusst durchsetzen.
Gleichzeitig muss er für die Leistungen innerhalb der Preisobergrenze Lösungen finden, sich in den Kosten zu optimieren. Anfänglich war die Haltung zur Komplexitätsreduktion verständlicherweise an jeder Messlokation technologisch auf die gleiche Lösung zu setzen. Mit den höheren Anforderungen an die Verfügbarkeit intelligenter Messsysteme im Kontext der Steuerbarkeit ist diese Strategie nicht durchzuhalten. Der Messstellenbetreiber muss sich vielmehr überlegen, wie er welchen Anwendungsfall technologisch abbilden will. Ist bspw. Mobilfunk noch die richtige Lösung, wenn ein TAF 10 hochfrequent Netzzustandsdaten ausliest und so hohe Kosten verursacht? Oder wenn Steuerbarkeit am intelligenten Messsystem verlangt wird, der Empfang aber im ländlichen Raum vielleicht nur lückenhaft ist? Hier gilt es den Überblick über die Optionen zu behalten, diese gegeneinander abzuwägen und situativ die richtige Entscheidung zu treffen. So hat die Digitalisierung des Messwesens den Messstellenbetreiber also von einem Teilbereich des Verteilnetzbetriebs zu einem Leistungspartner auf Augenhöhe gebracht. Und von einer Montageeinheit für robuste analoge Messtechnologie zu einem hochdigitalisierten Dienstleister, der im komplexen Umfeld zwischen Kryptographie, Telekommunikation und IT-Infrastruktur Betriebslösungen finden muss. Seine Profitabilität steht und fällt damit, in diesem Geflecht optimierte Lösungen zu finden und Skaleneffekte zu heben. Gelingt ihm das wird aus dem hässlichen Entlein der Energieversorgung vielleicht doch noch ein ansehnlicher Schwan.