Smart-Meter-Rollout: Den Sand aus dem Getriebe bekommen

Smart-Meter-Rollout: Den Sand aus dem Getriebe bekommen

Noch vor einem guten halben Jahr standen alle Zeichen auf Grün, nun scheint der Smart-Meter-Rollout aber wieder ins Stocken geraten zu sein. Woran das liegt und wie die Vorgaben erreicht werden können, bis Frühjahr 2023 zehn Prozent der Pflichteinbauten umzusetzen, hat die Fachzeitschrift stadt+werk im Gespräch mit Torsten Maus, Geschäftsführer der EWE NETZ GmbH und Dr. Michal Sobótka, Geschäftsführer der GWAdriga GmbH und Co. KG erfahren.

Dieses Interview erschien exklusiv in der Ausgabe 5/6-2022

Der Smart-Meter-Rollout läuft dieses Jahr deutlich weniger rund, als erwartet. Woran liegt das?

Torsten Maus: Dieser Rollout ist ein Mammutprojekt, das alle Beteiligten nach Kräften unterstützen. Doch vor allem die Pandemie stellt uns alle noch immer vor große Herausforderungen: Lieferungen von Komponenten der Smart Meter wurden in der Stückzahl reduziert oder ganz abgesagt. Lieferketten wurden unterbrochen und es gab Qualitätsmängel bei den Gateway-Chips. Es bleibt also noch viel zu tun und die Lage angespannt.

Dr. Michal Sobótka: Wir sehen auch viele Unternehmen, die ganz offensichtlich unterschätzt haben, was es braucht, um die IT-Systeme und Prozesse für den erforderlichen Mengenhochlauf vorzubereiten.

Können Sie das genauer beschreiben?

Dr. Michal Sobótka: Es gab ja einen langen Zeitraum, in dem der Start des Rollouts immer wieder verschoben wurde. Das führte dazu, dass die entsprechenden Projekte in den Unternehmen ebenfalls immer wieder auf Eis gelegt wurden. Gleichzeitig entstand eine gewisse Erwartungshaltung, dass es mithilfe der zur Verfügung stehenden Softwarelösungen kein Problem sein würde, den Rollout umzusetzen, sobald der Start erfolgt ist. Nun sehen wir, dass das in vielen Unternehmen nicht wie erwartet funktioniert. Teilweise, weil die IT-Systeme nicht das halten, was sich die Anwender davon versprochen haben. Aber auch, weil die Integrationsbedarfe und prozessualen Anforderungen der unterschätzt wurden.

Torsten Maus: Es sind ja auch hoch abgesicherte und komplexe Prozesse, die der Gesetzgeber vorgibt. Wir müssen den Smart Meter-Rollout herstellerübergreifend abbilden. Dabei müssen viele Faktoren ineinandergreifen: Betriebsführung, Konnektivität, Kryptographie und die Schnittstellen zu den operativen Systemen. Nur wenn ein intelligentes Messsystem zu 100 Prozent korrekt eingebaut und in den Systemen in Betrieb genommen wird, können die Folgeprozesse fehlerfrei laufen.

Dr. Michal Sobótka:  Wenn es an den Massenrollout geht, zählen die Erfahrungen des Teams. Denn es gibt viele Dinge, die eben nicht in den Handbüchern stehen. Denn man benötigt Menschen, die Vorfälle richtig interpretieren können. So gibt es beispielsweise immer wieder Geräte, die regelmäßig ‚wiederbelebt‘ werden müssen. Das betrifft nur einzelne Typen und bestimmte Firmware-Stände, aber wenn man das nicht weiß, fallen die entsprechenden Gateways aus und der Messstellenbetreiber schickt jemanden vor Ort. Das ist teuer und erschwert den wirtschaftlichen Betrieb. Auch sonst helfen Erfahrung und Wissen, den Rollout richtig zu orchestrieren – von der Leistungsfähigkeit der benötigten Sever bis hin zur richtigen Interpretation von Anomalien in den Messwerten.

Vielfach wird ja berichtet, dass es auch an der technischen Integration der neuen Lösungen für die Gateway-Management mit den klassischen ERP- und Abrechnungslösungen hakt. Welche Rolle spielt das aus Ihrer Sicht?

Torsten Maus: Das spielt eine entscheidende Rolle. Natürlich ist es immer eine Herausforderung, neue Elemente in eine bestehende Systemarchitektur einzubinden. Dafür haben wir mit der Ausgründung der GWAdriga vor Jahren zusammen mit unseren Partnern die Entscheidung getroffen, entsprechende Kompetenzen in einer Gesellschaft zu bündeln. Denn der Messstellenbetrieb ist auf eine optimale Kommunikation der Gateway-Management mit den Kernsystemen angewiesen.

Dr. Michal Sobótka: Wir haben da inzwischen einige Erfahrungen sammeln können. Die Herausforderung ist, dass jedes ERP-System anders tickt. Der Prozess der Gateway-Management dahinter sollte aber immer gleich ablaufen. Hier war es für uns tatsächlich ein Vorteil, dass sich der Rollout immer wieder verzögert hat. Denn so konnten wir die Anbindungen zu ganz verschiedenen Lösungen umsetzen, neben SAP und Bosch beispielsweise auch zu Schleupen oder SIV.

Bis zum Ende des Pflichtrollout ist es kein Jahr mehr hin. Was empfehlen Sie Unternehmen, die diese technischen und prozessualen Herausforderungen noch nicht gelöst haben?

Torsten Maus: Abwarten ist keine Option mehr. Es gibt bereits Projekte, in denen der Rollout nachweislich auch in größeren Stückzahlen funktioniert. Die Prozesse sind bekannt und die technischen Lösungen stehen bereit – auch, wenn es noch viele Herausforderungen gibt. Eine Zielsetzung des Smart Meter-Rollouts ist es ja, die Digitalisierung in der Energiewirtschaft voranzutreiben. Das hebt enorme Potentiale, um Energie einzusparen und effizienter zu nutzen.

Dr. Michal Sobótka: Ganz wichtig ist es in Anbetracht der knappen Zeit, sich zu fokussieren. Wer jetzt noch keinen vollintegrierten Prozess hat, sollte sich zunächst auf die reibungslose Inbetriebnahme konzentrieren. Es gibt jederzeit die Möglichkeit, auch ohne eine ERP-Vollintegration zu starten. Dazu benötigt man sicherlich einen Dienstleister, der entsprechende Erfahrungen nachweisen kann. Der sollte aber auch über eine funktionierende und vor allem skalierbare technische Basis verfügen, die es möglich macht, jetzt umgehend mit dem Rollout zu starten, ohne dazu ein großes IT-Projekt auf setzen zu müssen. Das kann immer noch folgen, wenn die 10-Prozent-Vorgabe erfüllt ist, die GWA-Prozesse stabil laufen und eine ERP-Integration für das Massengeschäft benötigt wird. Es gibt aber sicher auch viele Fälle, wo es ohne dies auch genügt, gerade bei kleineren Versorgungsunternehmen oder wettbewerblichen Messstellenbetreibern.

Soweit die Pflicht, was ist denn mit der Kür, sprich: mit weiterführenden Diensten, die auf der Gateway-Infrastruktur aufbauen? Lohnt es sich, sich damit schon jetzt auseinanderzusetzen?

Dr. Michal Sobótka: Auch wenn wir immer noch auf einige angekündigte Tarifanwendungsfälle warten, setzen sich einige unserer Kunden bereits intensiv mit dem auseinander, was hier auf sie zukommt. Das gilt auch für Themen wie das CLS-Management oder das Mehrsparten-Metering. Aus unserer Sicht ist das auch dringend geboten. Denn mit der Ampel-Koalition und den aktuellen weltpolitischen Entwicklungen wird sich die Energiewende deutlich beschleunigen. Und damit werden solche Dienste schnell an Bedeutung gewinnen, denn ohne die Digitalisierung der damit verbundenen Prozesse wir die Energiewende nicht funktionieren.

Torsten Maus: Selbstverständlich. Das ist doch der Kerngedanke des Rollouts, dass Energie noch effizienter genutzt und digitale Mehrwerte für unsere Kundinnen und Kunden geschaffen werden. Den eigenen Energieverbrauch zu analysieren ist ja erst der Anfang. Zum Beispiel sind wir im Forschungsprojekt „unIT-e2“ als Konsortialpartner aktiv. Dieses Projekt erprobt die marktoptimierte und zugleich netzdienliche Be- und Entladung von Elektrofahrzeugen im Hinblick auf Kundentauglichkeit. Der Einsatz von Smart Metern schafft grundlegend neue Möglichkeiten und zeigt, welche Chancen die Digitalisierung für die Energiewende bietet. Und hier stehen wir noch am Anfang.

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